Familie

Ende der siebziger Jahre wurde ich im beschaulichen Osten der Republik geboren.
Knappe 90 Kilometer südlich von Berlin wuchs ich auf.
Was mir fehlte, ich damals aber nicht merkte, war der Vater.

Mit knapp 12 Monaten kam ich in die Kinderkrippe. Damals im Osten normal und Gang und Gäbe. Später folgte dann der Kindergarten.
Schon früh musste ich auch lernen, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Meinen 4 Jahre jüngeren Bruder habe ich öfter morgens zur Kinderkrippe gebracht. Nicht weil es normal war, sondern nötig. Meine Mutter war alleinerziehend und in Vollzeit berufstätig.
Aber Kind sein durfte ich mit allem was dazu gehört.
Knie aufschürfen, auf Bäume klettern, Buden bauen, Fahrradfahren, freihändig und auch auf der Stange sitzend, Pfeil und Bogen bauen, viel Unfung treiben und die Natur erkunden.

Ich wurde krank. Keiner wusste genau was ich hatte, woher es kam, was mich plagte. Aber ich lernte damit zu leben. Phasenweise.
Die Schule, mit Früh— und Späthort, absolvierte ich bis zur vierten Klasse im Osten, ab dann im Westen.
Neues System, neue Umgebung, neue Anforderungen.

Wieder erkrankte ich. Und musste lernen, wie grausam Kinder sein können. Aber auch diese Phase habe ich überstanden.
Schulabschluß, Ausbildung, Weiterbildung.

Nun, mit 37 und eigenem Kind, sehe ich meine Vergangenheit als gute Vorlage. Was mir damals aber noch nicht bewußt war, ist mir heute um so wichtiger:
die Familie und Vater sein.
Was ich damals nicht hatte, soll Karl auf keinen Fall missen: seinen Vater.

Immer war sie da. Sorgte für Geborgenheit, schuf Vertrauen und machte zu großen Teilen das aus mir, was ich heute bin. Stolzer, offener, toleranter, neugieriger, aber bei weitem nicht perfekter Sohn, Partner, Bruder, Freund, Schwager und Vater.

Heute ist die Familie verstritten.
Altersstarrsinn vs. eigenen Kopf der Jungen.
Für uns Erwachsene ist das alles zwar nicht schön, sogar sehr schade, aber besonders schlimm ist bzw. wird es für den Karl. Er wird sehr viel verpassen.
Seine Urgroßeltern, seine Großtante und seinen Großonkel.
Erzählungen, Ratschläge, das ganze Wissen der „buckligen“ Verwandtschaft.
Er kann nichts für die Unvernunft der Alten.

Aus diesen Gründen ist mir meine eigene kleine Familie so wichtig.
Ich schaue Karl in seine kleinen großen Augen und verspreche ihm, immer für ihn da zu sein. Egal was passiert. Und passieren kann viel.
Ich bin sein Vater. Das werde ich immer sein. Probleme aber kommen und gehen.
Die Eltern bleiben.
Alles lässt sich lösen, man muss nur wollen und Geduld haben, mal ein Auge zudrücken und nicht alles so ernst sehen.
Jeder lebt für sich alleine, hat seinen eigenen Kopf, seinen eigenen Weg und seine eigenen Vorstellungen.
Auch Karl wird so sein. Es wird sicher nicht einfach. Es wird Tränen geben, böse Blicke und wahrscheinlich sogar böse Worte.
Wir alle mussten da durch und hatten Ärger.
Doch letztendlich ist es schön zu wissen wo man hin kann, wer einem hilft, wen man mal was fragen kann und wer einfach für einen da ist.
Die Familie.

Ich schätze sie sehr.

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