Kein Abschied mehr

Das eigene Kind ist heilig.
Es wird alles getan, damit es ihm gut geht.
Jeder Schaden wird abgewendet. Gut behütet eben.
Doch auf eine Sache ist man nicht eingestellt.
Nicht vorbereitet. Denn sie geht vom Kind aus.


Sie kommt ganz sicher. Unausweichlich. Schleicht sich von hinten heran, setzt an und springt einem in den Nacken, krallt sich fest und bleibt für Tage dort sitzen.

Zuhause freut sich das Kind auf Mama und Papa. Strahlt jedes mal, wenn einer der beiden von der Arbeit nach Hause kommt.
Oder vom Einkauf.
Oder vom Briefkasten.
Man ist Bezugsperson Nummer eins.
Selbst bei den Großeltern oder anderen Familienmitgliedern fremdelt der Kleine hin und wieder und sucht bei Mama oder Papa nach Sicherheit.
Das sorgt regelmäßig für einen Schub Wärme im Herzen.
Natürlich freut man sich auch, wenn er auf dem Arm
der Großeltern oder Onkeln und Tanten lacht und Spaß hat.
Doch es sollte sich noch etwas entwickeln.
Etwas, wovon man erst als Rettung und Erleichterung denkt, später aber auch als Konkurrent.

Als Erwachsener kann man nicht spielen wie ein Kind.
Als Erwachsener kann man nicht denken wie ein Kind.
Sowas können nur Kinder.
Fremde Kinder.
Krippenkinder.

Der erste Tag in der Krippe war gut. Ruhig.
Der Kleine war 90% der Zeit bei Papa.
Am zweiten Tag keine Veränderung.
Nach zwei weiteren Tagen schon, bewegte er sich frei im Gruppenraum der Krippe. Insbesondere draußen auf dem Spielplatz im Sandkasten nabelte er sich langsam aber sicher ab.
Natürlich suchte er immer noch nach Papa und wollte, sobald er merkte, dass ich mich entferne, zu mir zurück.
Doch nach knapp zwei Wochen spielte er alleine.

ALLEINE.

Ohne Papa. Ohne nach mir zu schauen.
Nun sollte ich ihn verabschieden und den Raum verlassen. Es wurde geweint. Klar.
Am zweiten Tag auch, selbst am Dritten.

Doch dann kam der Tag, an dem er auf dem Arm der Erzieherin saß, mir winkte und sich den anderen Kindern zuwendete.

Klatsch. Da sprang sie. Traf gewaltig. Und blieb sitzen.

Auf einmal wird einem gewahr, dass das eigene Kind sein eigenes Leben lebt.
Sich abnabelt.
Eigene Wege geht.
Und auch andere Menschen wichtig werden.

Als Eltern ist man in gewisser Weise egoistisch.
Man sieht sich als wichtigste Person. Das mag auch stimmen, doch es ändert sich mit den Jahren.
Klar, man wird immer Papa bleiben, aber nicht die wichtigste Person im Leben des Pupers.
Die Krippe macht mir das sehr schnell deutlich.
Sie erleichtert den Alltag, gleichzeitig ist sie auch seine Welt.
Er hat dort Termine, Freunde und Bezugspersonen, die nichts mit uns Eltern zu tun haben.
Ich gewöhne mich daran. Langsam.

In Wirklichkeit aber muss ich mich abnabeln.
Ich muss damit zurecht kommen, dass auch andere wichtig im Leben meines Sohnes sind.
Ich muss damit leben lernen, dass er mich mit einem Lächeln im Gesicht verabschiedet und nicht weint, weil er lieber bei mir bleiben möchte.
Es ist doch schön, dass er gerne geht, aber auch gerne wieder kommt.

Denn eines wird sich niemals ändern:
Ich bin der Papa und IMMER für ihn da.

1 Kommentar

Hallo Marcel,
deine Berichte sind so berührend, einfach wunderbar. Danke schön für das Teilen deiner Gefühle.
Vielen herzlichen Dank.
Deine Schwiegermama

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