„Ich habe da eine Frage. Ich möchte die Briefe abgeben und mein Papa das Paket.“
So war es bei der Post. Er als routinierter Kunde. Ohne Anlaufzeit. Ohne schüchternes Verstecken hinter meinen Beinen. Ich musste lachen. Und es gleich meiner Frau erzählen. Sie schaute ungläubig.
Doch. So war es.
Ein Sprung scheint vorbei. Eine Phase von so vielen. Unbemerkt, weil die Phasen seines Bruders so viel wichtiger sind. Scheinbar.
Er ändert sich. Von Woche zu Woche. Er wird groß. Mein Großer.
Er redet. Viel. Und mit Phantasie. Viel Phantasie.
Er sagt bitte, wenn es nötig ist. Und hält mir den Spiegel vor.
„Papa, komm jetzt. Komm, spiel mit mir. Komm jetzt bitte. Ich möchte mir Dir spielen.“
„Papa, ich möchte bitte eine Manane haben. Und einen Apfel. Dann wartet das Tablet auf mich um mir ein Video zu zeigen.“
„Papa, kann ich bitte Schokobons und Rosinen? Ich habe auch bitte gesagt. Das Zauberwort.“
Mein Großer. Er wird groß. Er überrascht mich jeden Tag.
Zähne putzen? Von der Qual zur Selbstverständlichkeit.
Hände waschen nach dem Klo? Nichts leichter als das. Mittlerweile.
Ohne Windel ins Bett? „Na klar, Papa. Bin doch schon groß und wecke Dich wenn ich Pipi muß.“
Ein Schritt zurück, zwei Schritte vor. So ist das Tempo, das er vorgibt. Ich habe mich daran gewöhnt. Und genieße ihn. Genieße es, ihm beim Großwerden zuzuschauen. Genieße es, dabei zu sein. Und bemitleide den, der es damals nicht wollte.
Es gibt nichts schöneres, als Papa zu sein. Es ist das Schönste auf der Welt. Und das Schlimmste. Man erlebt sein Minime und wird nochmal Kind. Er nimmt mich mit auf eine Reise, deren Verlauf und Erlebnisse schon längst vergessen schienen.
Er macht aber auch bewusst, wo man selbst Grenzen hat. Wo machen aufhört und machtausüben anfängt. Wo fördern aufhört und fordern anfängt. Wo bitten aufhört und überreden anfängt. Wo erklären aufhört und zwingen anfängt.
Eine Gratwanderung.
Es tut ihm weh, wenn er weint.
Will er nicht, trotzt er nicht. Er will einfach nicht.
Er ist Kind und darf es sein. Er hat auch Gefühl für die Welt, man muss ihm nur zuhören.
Wir waren auch mal Kinder. Haben genauso gelacht und getobt und geweint und nicht gewollt. Wann ging uns das verloren? Wann haben wir verlernt uns richtig zu spüren?
Er soll frei bleiben. Frei sein. Bei allem was er tut. Das wird mein Vermächtnis sein. Ein Kind, das sich selbst gehört.