Erinnerungen in digital

Analog oder Digital. Wer gewinnt?

Sogar heute weiß ich noch, wie toll es war, nein, wie toll es ist, von mir Farbfotos aus meiner Babyzeit zu sehen. Damals im Osten der Republik waren Farbfotos nichts Alltägliches, überwiegend schwarzweiß, deswegen ziemlich teuer und dementsprechend selten.

Heute ist das aber irgendwie nichts besonderes mehr, weil alles digital passiert. Unsere Kinder werden ihr Babyleben in bunten und bewegten Bildern nacherleben können.

Fotos, Videos, Gifs, Collagen, Fotobücher, Kalender, etc..

Alles digital. In Farbe. Und zum Ranzoomen. 

Teint passt nicht zum T-Shirt? Egal. Filter drüber. Fertig. Kind lächelt nicht perfekt in die Linse? Egal. Nochmal und nochmal und nochmal und nochmal und nochmal…. Ist ja genug Speicherplatz vorhanden.

Damals war das anders. Kameras waren ohne Displays. Jedes Foto mehr oder weniger ein Glücksfall.

Umso schöner war die Freude beim Abholen der entwickelten Schätze und dem Durchschauen selbiger.

Überbelichtet? Komisch geschaut? Gar nicht gelächelt? Egal. Trotzdem fanden solche Bilder den Weg ins analoge Fotoalbum.

Stand heute habe ich schon mehr als 850 Fotos von meinem Sohn geschossen. Und keines ist unscharf oder verwackelt. Diese missglückten Fotounfälle kann man ja dank Display und Smartphone/Tablet/Computer aussortieren.

So allerdings rückt man dem Werteverfall der Fotoerinnerung immer näher. Irgendwie sind Bilder zwar eine Erinnerung, aber ich denke, keine wirklich Beliebte mehr. Wann wird man sich diese Mengen an digitalen Schnappschüssen und Kurzvideos oder Wackelbildern anschauen?

Man lädt sie hoch, damit alle Welt sie bewundern kann. Man präsentiert sie in den besten Filtern, besten Posen, besten Locations und besten Arrangements. 

Man lässt sie drucken, in Fotobüchern entwickeln oder Kalender daraus machen. 

Somit wären wir fast wieder beim Damals. 

Aber nur fast….. irgendwie fehlt mir die Romantik.

Aber auch ich bin bei Weitem nicht frei von diesem Trend.

Auch mir passiert das jedes mal. Foto nicht so toll? Ein Filter wird es schon richten. Nicht ganz so schön getroffen? Egal, mach ich halt zwei, drei, vier Fotos…..

Aus genau diesem Grund habe ich angefangen, mir wieder die analoge Fotografie näherzubringen. Kein Autofokus, keine Masken, keine Herzaugen, keine Hasenohren, keine Überprüfung.

Mit der alten Spiegelreflexkamera aus Ostzeiten von meinem Vater fange ich wieder an, komplett analog zu knipsen um dem Zufall eine größere Chance zu geben, das perfekte Bild zu schießen.

Ausgelöst = bleibende Erinnerung. 

Versteht mich nicht falsch.

Es ist superschön zu fotografieren und die Bilder anzuschauen. Nicht nur von Menschen. Die Natur ist so schön, man reist, macht Fotos, erinnert sich.

Mir fehlt allerdings dieser Moment, das Lachen, die verdutzen Blicke, wenn ein Bild nicht dem entspricht, was man sich beim Knipsen erhofft hatte. Nicht umsonst gibt es heute schon Filter, die gewisse Fotokameras und deren Eigenheiten nachahmen.

Doch die schönsten Erinnerungen sind die uranalogen, die in mir drin. 

Die, die in kein Fotoalbum oder InstagramAccount der Welt passen. 

Und diese werden hoffentlich niemals gelöscht.

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